DER STEINBRUCH, DAS LAGER UND DIE ORTSCHAFTEN
GPS gesteuerte Tablet-App/Web-App
Konzept und Umsetzung: Martin Krenn 2023
Historische Recherche, Fotorecherche und inhaltliche Beratung: Edith Blaschitz
Off-Stimme: Hilde Dalik
Digitale Realisierung: Georg Vogt, Thomas Moser, Alexander Schlager, Clemens Baumann, Patrick Horvath unter Beteiligung der Studierenden Peter Wilfing, Theresa Neurater, Kevin Loigge und Philipp Hutflesz der Fachhochschule St. Pölten, Institut für Creative\Media/Technologies.
Realisiert im Rahmen des Projektes „Spuren lesbar machen – Labor zu Kunst, Partizipation und digitalen Räumen“
Martin Krenn entwickelte in Kooperation mit der Historikerin Edith Blaschitz und dem Team des Instituts für Creative\Media/Technologies der Fachhochschule St. Pölten eine Tablet App zum ehemaligen Granitsteinbruch zwischen Roggendorf und Groß-Reipersdorf, welcher auch Teil eines Zwangsarbeiterlagers im ersten und zweiten Weltkrieg war. Die App macht anhand von historischen Fotografien und Dokumenten aus öffentlichen sowie privaten Archiven, kommentiert aus dem Off, gesprochen von der Schauspielerin Hilde Dalik, Geschichten des einstigen Steinbruchs sicht- und hörbar. Entsprechend bestimmter GPS-Koordinaten werden die jeweiligen Bilder und Soundfiles am Tablet/Smartphone abgespielt. Die Besucher:innen erkunden das heutige Areal aus unterschiedlichen historischen Perspektiven. Durch die körperliche und sinnliche Erfahrung beim Durchstreifen des Geländes, beeinflusst durch das jeweilige Wetter und die Umgebungsgeräusche des Waldes, sowie dem modrigen Geruch verfallener ehemaliger Betriebsgebäude und anderer Artefakte, wird die durch Bilder und Texte der App erzählte wechselvolle Geschichte des einstigen Steinbruchs mit dem heutigen Erscheinungsbild des Areals verwebt.
Bisher wurden zwar keine Belege dafür gefunden, dass in dem NS-Zwangsarbeiterlager Menschen gefoltert oder ermordet wurden, aber die Selbstverständlichkeit, mit welcher hier Zivilpersonen und Kriegsgefangene gegen ihren Willen zu schwerer Arbeit gezwungen wurden, sowie die weitgehende Verdrängung der NS-Zeit in den umliegenden Ortschaften, stehen symptomatisch für eine geschichtspolitische „Normalität“, die in der zweiten Republik in Österreich viele Jahrzehnte vorherrschend war. Weitverbreitet war die These, dass Österreich und seine Bevölkerung das erste Opfer des Nationalsozialismus waren. Von der Bevölkerung begangenes Unrecht wurde dadurch relativiert und es wurde verdrängt, dass ein großer Teil der Bevölkerung, auch wenn er nicht direkt in NS-Verbrechen involviert war, sehr wohl zur Aufrechterhaltung des NS-Regimes beitrug, oder es zumindest duldete.
Die Recherche für die App zum Granitsteinbruch bewegt sich entlang historisch überprüfter Fakten und Dokumenten und basiert auf aufgezeichneten Geschichten von Zeitzeug:innen. Es werden jedoch in der finalen Fassung keine Namen von Personen, Firmen und Orten von der Off-Sprecherin genannt werden (alle Beteiligten werden aber selbstverständlich in den Credits namentlich erwähnt). Durch diesen künstlerischen Eingriff wird die Geschichte des Steinbruches und der umliegenden Ortschaften aus ihrem spezifischen Kontext herausgelöst und verallgemeinert. Ziel ist es, dass die Probleme und Fragen, die bei der historischen Aufarbeitung dieser Region auftreten, nicht auf diesen Ort beschränkt bleiben, sondern dazu anregen, sich mit der Geschichte der eigenen Herkunfts- und Wohnorte auseinander zu setzen. Aufgrund von Recherchen des Bundesdenkmalamts wissen wir, dass es in Österreich insgesamt 2.115 Orte gibt, auf welchen in der NS-Zeit Arbeitslager betrieben worden sind.